Ein Gespräch mit Tanja Gutmann über Work.flow und die Entdeckung des eigenen Potenzials

Frau Gutmann, Sie arbeiten als Elektroingenieurin in der Automobilbranche. Eine sicherlich noch immer von Männern dominierte Branche. Was war Ihre Motivation, diesen Beruf zu wählen?

 

(lacht) Schon als Kind habe ich lieber mit Legobausteinen, Autos und Spielekonsolen gespielt als mit Puppen. Diese Begeisterung für Technik und wie die Dinge zusammenhängen hat sicherlich auch mitmeinem Vater zu tun. Er, ebenfalls Elektroingenieur in der Automobilbranche, zeigte mir und meinem Bruder, dass jedes technische Gerät zu reparieren sei. Das faszinierte mich so sehr, dass es mich in seine Fußstapfen hat treten lassen.

 

Mittlerweile haben Sie eine Ausbildung zum Life-Coach absolviert und sind eine Expertin für Potenzialanalyse. Von der Elektroingenieurin zum Life-Coach – ein eher ungewöhnlicher Werdegang oder?

 

Ja, in der Tat, und dazu kam es aus einem Mangel heraus: Vor einigen Jahren wurde die Arbeitswelt in meinem Unternehmen durch eine Umstrukturierung stark verändert. Aufgaben fielen komplett aus meiner Zuständigkeit, auch meine Auslastung litt enorm wodurch ich in eine tiefe Sinnkrise geriet. Um diese belastende Situation zu bewältigen, holte ich mir Unterstützung bei einem Coach. Mit verschiedenen Tools und einfachen Fragestellungen führte er mich schnell zurück in die Kraft. Das begeisterte mich. Gleichzeitig verspürte ich den Wunsch, dies in anderen Menschen auch bewirken zu können. Es war die Initialzündung, selbst Life-Coach zu werden. Sozusagen von der Couch zum Coach ??

 

Durch die Corona-Krise ist in der Wirtschaft eine große Unsicherheit zu spüren. Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz. Ist da die Entwicklung des eigenen Potenzials für Betroffene nicht aktuell eher unwichtiger? Oder ist das vielleicht sogar eine Chance?

 

Richtig, viele Menschen haben Angst um ihren Job oder kämpfen aufgrund der Corona-Krise gar ums Überleben. Sehr dringlich müssen sie sich bewusst werden, was ihre Talente und Möglichkeiten sind und schnell kreative Lösungen finden. Oder sich neue Qualifikationen aneignen, um entstandene Verdienstlücken auszugleichen. Das ist wahr. Gleichzeitig denke ich, dass die Beschäftigung mit dem eigenen Potenzial wichtiger denn je ist. Sie gibt uns Klarheit und Sicherheit und lässt uns bei Veränderungen schnell reagieren. Die Pandemie bietet uns die Chance, uns über diese Zusammenhänge klar zu werden: Zu Hause im Lockdown, ohne ausgehen und uns ablenken zu können, sind wir sehr auf uns selbst zurückgeworfen, so dass viele sich fragen: „Was brauche ich wirklich, was „nährt“ mich und macht mich glücklich?“

 

Welche Erfahrungen machen Sie in Ihrer Coaching-Praxis. Gelingt es eher Frauen oder Männern sich zu öffnen und ihr wahres Potenzial zu erkennen?

 

Der Unterschied zeigt sich meiner Erfahrung nach nicht im Geschlecht, sondern im Altersunterschied: Während ich viele, zum Teil sehr junge Klientinnen ab 18 Jahren berate, die auf der Suche nach ihrer Identität sind und sich nach einem Beruf umsehen, der zu ihren Talenten und Fähigkeiten passen soll, sind meine männlichen Klienten deutlich reifer. Die meisten sind über 40 und stellen sich die Frage: „Soll das schon alles gewesen sein?“ Sie fühlen sich starr und funktionierend und wollen endlich „leben“! Auch Frauen, die sich oft viele Jahre ihren Kindern und der Familie gewidmet haben, wünschen sich einen Neuanfang: Durchzustarten und etwas zu beginnen, das ihnen Freude bereitet und Sinn gibt.

 

Was empfehlen sie Menschen, die entdecken möchten, was wirklich in ihnen steckt? Für was sie tatsächlich brennen und sich begeistern können.

 

Sich selbst zu hinterfragen, ist meiner Meinung nach, die beste Herangehensweise. Den „roten“ Faden im Leben zu suchen, der sich immer wieder zeigt: Ich bin überzeugt davon, dass viele unserer Talente in unserer Kindheit verborgen sind. Dort sollten wir zu suchen beginnen. Etwa mit Fragen wie: „Was habe ich als Kind gerne getan? Wobei empfand ich große Freude?“ Gleichzeitig liefern uns auch die Fragen: „Wann bin ich in meinem Flow? Was tue ich, damit ich ganz in meinem Element bin?“ hilfreiche Antworten.

 

Wie fühlt es sich Ihrer Erfahrung nach an, wenn man bei seiner Tätigkeit in einen „Flow“ kommt?

 

Ich selbst erlebe den Flow als einen Zustand grenzenloser Weite, der sich dann einstellt, wenn ich etwas tue, was mich erfüllt: Eine Aufgabe, bei der ich Raum und Zeit vergesse und das Gefühl habe, dass alles um mich herum „fließt“. Ein höchst angenehmes Gefühl, ganz von der Magie des Tuns eingenommen zu sein.

 

Sie haben ein Buch über Potenzial-Entwicklung mit dem Titel „Work.flow.“ geschrieben. Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Buch?

 

Ein Buch zu schreiben ist ein lang gehegter Traum: Schon als kleines Mädchen hatte ich die Vision dazu, wusste aber nicht worüber ich schreiben wollte. Nur, dass ich Menschen berühren und ihnen auf eine besondere Art Wegweiser und Lebenshilfe sein will. Im letzten Jahr erinnerte ich mich an diesen Traum und mir wurde klar: Ich wollte meine Erfahrung teilen. Sie sollte andere ermutigen und deutlich machen, dass es oft nur kleine Schrauben sind, an denen wir drehen müssen, um unser Potenzial zu leben und einen gigantischen Mehrwert an Freude zu erhalten.

 

Wer sollte Ihr Buch lesen?

 

Generell bin ich davon überzeugt, dass sich jeder in diesem Buch wiederfindet und etwas für sich herausziehen kann. Sei es, dass es zum Nachdenken anregt oder bewusst macht, dass wir an verschiedenen Stellen nachjustieren können – unabhängig von Ausbildung und Alter! Ganz besonders aber empfehle ich mein Buch Menschen, die mit ihrem Leben oder ihrem Job unzufrieden sind. Hier hilft es ungemein, etwas tiefer zu graben und herauszufinden, ob es eine grundlegende Veränderung braucht oder eben nur eine kleinere im Mindset, im Auftreten oder in der Positionierung.

 

Sie fordern ihre Leserinnen und Leser auf, das zu tun, was sie lieben. Mal ehrlich, gelingt Ihnen das auch?

 

Auf jeden Fall. Ich bin sicher, das liegt in besonderer Weise auch an meinem Naturell: Ich war schon immer sehr fröhlich und wissbegierig und hatte einen inneren Antrieb, Neues zu wagen und Dinge einfach anzugehen. Das war immer ein Gewinn. Es schenkt mir sehr viel Freude und Erfüllung, wenn ich mich dem widme, was ich liebe. Und das geht nicht nur mir so, denke ich, sondern uns allen!

 

Tanja Gutmann arbeitet als Elektroingenieurin in der Automobilbranche. Seit vielen Jahren interessiert und beschäftigt sie sich mit dem Sinn des Lebens und der Persönlichkeit des Menschen. Sie ließ sich zum Life Coach ausbilden und machte sich selbständig als Expertin für Potenzialentwicklung. Mit ihrem ersten Buch „Work.flow“ möchte sie andere inspirieren und dazu ermutigen, das zu finden, was sie erfolgreich und glücklich macht.

« 2. Virtuelle WeinTour geht an den Start»Owen Wingrave« (von Benjamin Britten) am Theater Lübeck: Kinder-Statisten (m) gesucht! »