»Transition/Tage« des Theater Lübeck vom 3/4 bis zum 9/4/20

© Jochen Quast

Ausgehend von der Premiere von »L’Africaine«, Große Oper von Giacomo Meyerbeer in kompositorischer Überschreibung des zeitgenössischen südafrikanischen Komponisten Richard van Schoor, am 3. April und der letzten Vorstellung von »Christophe Colomb« am 4. April beschäftigen sich die Transition/Tage des Musiktheaters des Theater Lübeck zwischen dem  3. und 9. April 2020 mit dem Themenkomplex Kolonialismus begreifen. Kolonialismus überwinden?

An diesen Tagen kann das Publikum jeden Abend eine der aktuellen Produktionen des von Operndirektorin Dr. Katharina Kost-Tolmein geleiteten Musiktheaters erleben: »L’Africaine« von Giacomo Meyerbeer und Richard van Schoor, »Christophe Colomb« von Darius Milhaud, »L‘Européenne« von Richard van Schoor, »Montezuma« von Carl Heinrich Graun, »María de Buenos Aires« von Astor Piazzolla und »Rusalka« von Antonín Dvo?ák.

Das Musiktheater bietet dazu ein umfangreiches Beiprogramm, das von Einführungen und Nachgesprächen über eine Podiumsdiskussion und interaktive Führung bis hin zu Performances und Installationen reicht – all dies findet bei freiem Eintritt statt. Wer mehrfach kommt, kann von den attraktiven Vielbucher-Rabatten profitieren: Beim gleichzeitigen Kauf von Karten für drei Vorstellungen gibt es ca. 20% Rabatt auf den Gesamtkartenpreis, ab vier Vorstellungen ca. 30% Rabatt. Die Rabatte sind ausschließlich an der Theaterkasse des Theater Lübeck buchbar und gelten nur für die Vorstellungstermine im Rahmen der »Transition/Tage« vom 3/4 bis 9/4/20. Weitere Informationen unter www.theaterluebeck.de.

Wenn am 4. April 2020 die französische Oper »Christophe Colomb« zum letzten Mal im Großen Haus des Theater Lübeck gespielt worden sein wird, wird ein Teil der Bühnendekoration nicht wie sonst als Ausstattung einer abgespielten Produktion entsorgt oder in ein Theatermagazin geräumt, sondern in rituellem Zug feierlich durch das UNESCO Welterbe der Lübecker Altstadt ins Lübecker Zeughaus überführt werden. Hier, am geschichtsträchtigen Ort, der einst städtisches Verteidigungsmagazin war, französische Kaserne, Gestapo-Zentrale mit Verhörzellen im Keller, für deren Umwidmung zur Gedenkstätte sich der Lübecker Kulturausschuss jüngst zu bemühen begonnen hat, zwischen 1985 und 2002 öffentlich zugängliches Völkerkundemuseum und der seither der stillen Verwahrung der Lübecker Völkerkundesammlung dient, werden Objekte, die auf der Bühne des Lübecker Stadttheaters in neun Vorstellungen mitgespielt haben und teilweise Exponaten der Völkerkundesammlung nachgebildet wurden, zu Teilen einer Sammlung unterschiedlichster einst in Gebrauch befindlicher Gegenstände verschiedenster Herkunft. Sie werden Zeugen eines ungewöhnlichen Austausches zwischen einem Theater und den Sammlungen städtischer Museen, des Übergangs zwischen praktischem Gebrauch und musealer Archivierung und erinnern auf Dauer an Versuche städtischer Kulturinstitutionen, brennenden Fragestellungen eines postkolonialistischen Zeitalters künstlerisch nachzuspüren.

Im weiteren Verlauf der "Transition/Tage" spielen Übergangsphänomene unterschiedlicher Natur eine  zentrale Rolle: Über den atlantischen Ozean führt die Reise entlang der Linien des transatlantischen Dreiecks zwischen Afrika, Europa und Amerika, aus dem praktischen Gebrauch von Gegenständen zu deren verborgener Magazinierung, vom dritten Rang des Zuschauerraums des Theater Lübeck zum Allerheiligsten der Bühne, von unreflektierten Stereotypen des Kolonialismus zur Diagnose des eigenen Alltagsrassismus und einigem mehr.

Am Anfang steht die Premiere von »L’Africaine«, Große Oper von Giacomo Meyerbeer in kompositorischer Überschreibung des zeitgenössischen südafrikanischen Komponisten Richard van Schoor im Rahmen der Doppelpassförderung der Kulturstiftung des Bundes zusammen mit einem europäisch-afrikanischen Künstlerkollektiv und der Oper Halle. Lässt sich mit einer »Afrikanisierung der Oper« eine überfällige »Dekolonialisierung des Geistes« voranbringen? Wie könnte sie aussehen? Was bewirken? Darius Milhauds Oper »Christophe Colomb« fächert daraufhin unterschiedliche Facetten der historischen Figur des Kolumbus zwischen brutalem Welteneroberer und mystifiziertem Heiligen auf. Die Uraufführung der Oper »L’Européenne«, zeitgenössische Antwort auf »L’Africaine«, erzählt eine heutige Liebesgeschichte zwischen einem jungen Afrikaner und einer Europäerin. »Montezuma« führt als mitreißende Barockoper vor Augen, wie ein europäischer Monarch, Friedrich der Große, mit der Denkfigur des toleranten, milden Herrschers spielt, um die Notwendigkeit eigener Expansionspolitik zu untermauern. Die Tango-Operita »María de Buenos Aires« richtet den Blick auf das Einwandererland Argentinien mit seinen kulturellen Wurzeln in Europa, Afrika und den Kulturen des südamerikanischen Kontinents, die zugleich seine Opfer wurden. »Rusalka« schließlich entführt in eine musikalisch hinreißende Welt des Schweigens und der strukturellen Gewalt, wie sie nicht nur das Märchen kennt.

Transition steht für Übergang. Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff ebenso die Perspektive gesellschaftlicher Erneuerung im Blick auf den Umgang mit knappen Ressourcen in Transition-Towns von Kiel bis Konstanz wie den Stil der Möbel, an denen Friedrich des Großen Brieffreund Voltaire gesessen haben mag, den Übergang von einer Bildungseinrichtung zur nächsten und immer den Schritt von einem Zustand in den nächsten – den Schwebezustand zwischen dem einen und dem nächsten Haltepunkt auf festem Boden. Folgen Sie unserer Einladung: Wagen Sie sich mit uns in die Sphären des Ungewissen und Vorläufigen angesichts fundamentaler Fragen unserer Welt der Gegenwart. Entdecken Sie neue Sensibilitäten und freuen Sie sich an ungeahnten Rücksichten.
Nähere Informationen zu detaillierten Programm bietet sukzessive die Internetseite des Theater Lübeck.

Termine
L’Africaine Premiere Fr 3/4/20, 19:30 Uhr. Weiterer Termin So 5/4/20, 18:00 Uhr (zum letzten Mal)
Christophe Colomb Sa 4/4/20, 19:30 Uhr (zum letzten Mal)
L’Européenne Mo 6/4/20, 19:30 Uhr (Theatertag, Eintritt 11,– Euro)
Montezuma Di 7/4/20, 19:30 Uhr
María de Buenos Aires Mi 8/4/20, 19:30 Uhr
Rusalka Do 9/4/20, 19:30 Uhr

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