Literatursommer Schleswig-Holstein 2019 in Lübeck, Länderschwerpunkt „Norwegen“

Hanne Ørstavik © Linda B. Engelberth

»Wenn die Sprache gut ist, dann ist das eine eigene Wirklichkeit. Ob es wahr ist [...], das interessiert mich nicht so viel.«      Tomas Espedal

Der Literatursommer ist in diesem Jahr dem Ehrengast der Frankfurter Buchmesse gewidmet und gibt Einblicke in die aktuelle norwegische Literatur. Die eingeladenen Schriftsteller/innen bieten eine Vielfalt an interessanten Themen und Erzählperspektiven. Philosophische, gesellschaftliche und politische Fragen sind literarisch aufbereitet, Lebensgeschichten starker Frauen werden erzählt und auch das in Norwegen verbreitete autobiographische Erzählen ist vertreten.

Eröffnet wird der Literatursommer mit dem Schriftsteller Jostein Gaarder, der aus einem ganz neuen Werk lesen wird, einer Erzählung, in der ein sterbenskranker Mann auf sein Leben zurückblickt. Gaarder geht den existentiellen Fragen des Menschseins auf den Grund. Mit „Bergeners“ stellt Tomas Espedal sein jüngstes autobiographisches Prosawerk vor. Espedal erzählt auf beeindruckende Weise und so intim wie noch nie von den Wechselfällen seines Lebens, wobei seine Heimatstadt Bergen und einst geliebte Frauen eine zentrale Rolle spielen. Kjersti A. Skomsvold ist als wichtigste Stimme der jüngeren norwegischen Literatur bei Ihrer Lesereise mit ihrem Debütroman kennenzulernen. Dieser amüsante wie berührende Roman handelt von dem Versuch einer alten Dame, nach dem Tod ihres Mannes ins Leben zurückzufinden. Hanne Ørstavik stellt ihren neuen Roman vor, welches davon handelt, dass die Geschichten unseres Lebens immer in uns präsent sind.

Einen pointierten Blick auf die heutige norwegische Gesellschaft wirft Nina Lykke in ihrem Familienroman. Sie schildert mit viel Biss den Zerfall einer mittelständischen Familie in der Wohlstandsgesellschaft und schafft humorvoll, ironisch und mit einer vielstimmigen Sprache eine Familientragikomödie. Der Musiker, Schriftsteller und politische Aktivist Pål Moddi Knutsen berichtet von zensierten und verbotenen Liedern aus aller Welt, die er übersetzt und als “Unsongs” neu aufgenommen hat. Seine Geschichten handeln von der Macht der Musik. Zum Abschluss des norwegischen Sommers präsentiert Johan Harstad seinen enthusiastisch aufgenommenen Roman “Max, Mischa und die Tet-Offensive”.

Im Rahmenprogramm zu den Lesereisen gibt es für Sie einiges zu entdecken, so eine theatralische Lesung zu Gunnar Staalesens Kriminalroman „Die Schrift an der Wand“ oder den jährlichen Parcours zur Lyrik des Gastlandes. Wir wünschen Ihnen dabei viel Freude!
Soweit das Editorial für den Literatursommer „Norwegen“ von Dr. Wolfgang Sandfuchs und Sara Franzese.


Übersicht der Lesungen in Lübeck:

Tomas Espedal liest aus seinem Buch „Bergeners“
Übersetzung: Dr. Sigrid Engeler, Deutsche Lesung: Werner Klockow
Donnerstag | 1.8.19 | 20:00 Uhr | Buchhandlung Hugendubel | Königstraße 67a | Lübeck

Wie in seinen bisher auf Deutsch erschienenen Prosawerken „Wider die Natur“, „Wider die Kunst“ und „Gehen“ verdichtet Tomas Espedal auch in „Bergeners“ mit großer literarischer Intensität spannende Einblicke in sein Leben. Oftmals versucht Espedal vor Schwierigkeiten zu fliehen: vor der Einsamkeit nach dem Verlassenwerden, vor dem Trubel um ihn nach dem Erscheinen der autobiographischen Bücher Karl Ove Knausgårds, dessen literarischer Lehrer und Weggefährte er ist, oder vor sich selbst. Jedoch zieht es ihn immer wieder in seinen Heimatort, den Ort, an dem seine Erinnerungen verwurzelt sind, zurück nach Bergen.
„Bergeners“ ist eine ungewöhnliche Liebeserklärung an den zwischen Bergen und Fjorden gelegenen Heimatort Tomas Espedals. Die Erzählung beginnt im extravaganten The Standard Hotel in New York und endet im Berliner Askanischen Hof, denn immer wieder versucht Tomas zu fliehen: vor dem Trubel um seine Person nach dem Erscheinen von Knausgårds Büchern, vor der Einsamkeit, nachdem seine Freundin ihn verließ, vor sich selbst. Jedes Mal kehrt er aber zurück zu dem Ort seiner Kindheit, dem Ort, der seine Erinnerungen konserviert. Meist sind es Erinnerungen an die Frauen, die der Autor einst liebte. So intim, so unmittelbar wie noch nie, erzählt er seinen Nächsten – und damit uns – von seinem wilden und poetischen Leben.
Tomas Espedal, geb. 1961 in Bergen, gab sein literarisches Debüt 1988 mit dem Roman „En vill flukt av parfymer“ (Eine wilde Flucht vor dem Parfüm). Seither veröffentlichte er zahlreiche, mit vielen Preisen ausgezeichnete Romane und autobiographische Texte. Er gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller Skandinaviens.
Eintritt 10,- Euro (30% Rabatt mit Kundenkarte), Fragen zur Veranstaltung: Tel. 0451/1600650, Maike Bialas, mbialas@hugendubel.de

 

Hanne Ørstavik präsentiert ihren neuen Roman „Die Zeit, die es dauert“
Deutsche Lesung: Birgit Kubasch, Übersetzung: Hanno Frick.
Freitag | 9.8.19 | 18:00 Uhr | Hanse-Residenz | Eschenburgstraße 39 | Lübeck

Eine der profiliertesten Gegenwartsautorinnen Norwegens, mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet, feierte Hanne Ørstavik 1997 mit Kjaelighet („Liebe“, deutsch 2017) ihren Durchbruch: Eine feingesponnene, minimalistisch komponierte Mutter-Sohn-Geschichte, die einen nicht so schnell wieder loslässt.
Zur Lesung kommt die Autorin mit ihrem neuesten Buch, „Die Zeit, die es dauert“ (erscheint August 2019). Es ist die Zeit, die die Ich-Erzählerin Signe braucht, um sich aus einer nur scheinbar gelungenen Familiensituation und Kindheit zu befreien, die Sprachlosigkeit aufzubrechen und einen eigenen Weg zu gehen. Angesiedelt im äußersten Norden Norwegens, der Heimat der Autorin, gewinnt dieser intensive Roman einer Seelenlandschaft durch die Natur, die Dunkelheit und Kälte und das bevorstehende Weihnachtsfest, an dessen traditioneller Ausgestaltung ein lange schwelender Konflikt kulminiert, eine enorme erzählerische Dichte und Spannung.
Andeutungen, Zeitsprünge, Flashbacks, Gedanken und Gefühle verdichten sich zu einem bedrückenden Familienbild einer nach außen hin demonstrativ christlichen Vorzeigefamilie: Ein Vater, der in seinem Jähzorn, mit verbaler und körperlicher Gewalt, mit verstörenden Schuldzuweisungen sowohl die Ehefrau als auch die Kinder beherrscht, die in ihrer emotionalen Hilflosigkeit selbst mit an der Heile-Welt-Familie basteln. Eintritt: 6,- Euro, Veranstalter: Hanse-Residenz Lübeck GmbH,
Infos unter Tel. 0451/3703-0

Unsongs – Geschichten verbotener Lieder aus aller Welt - Lesung und Musik mit Pål Moddi Knutsen, Moderation: Nils Aulike
Dienstag | 27.8.19 | 19:00 Uhr | Kunst am Kai | Willy-Brandt-Allee / Nördliche Wallhalbinsel / Hafenschuppen C | Lübeck

Nachdem Pål Moddi Knutsen aufgrund einer Einladung nach Israel zwischen die Fronten des Nahostkonflikts geraten war, machte er sich auf die Suche nach verbotenen Liedern auf der ganzen Welt, trug zwölf Songs zusammen und besuchte die Musiker, um die Lieder aufzunehmen. Als Ergebnis dieser Reise gab Moddi 2016 das international gelobte Album Unsongs heraus. In seinem 2019 erschienenen Buch “Verbotene Lieder – 10 Geschichten von 5 Kontinenten” erzählt er die Geschichte hinter diesem Projekt, zehn Schicksale von Gewalterfahrung und Unterdrückung. Es ist auch die Geschichte des Umgangs mit den Verboten und über die politischen Hintergründe. Das Buch ist ein Tribut an die Kraft der Musik in einer Zeit, in der die meisten Menschen Musik nicht mehr für ein politisches Mittel halten. Pål Moddi Knutsen, geb. 1987, ist Schriftsteller, Musiker, Songschreiber und politischer Aktivist.
Eintritt: Vvk 4,50 / 3,- / AK 5,- / 3,50 Euro | Info: Heinrich-Böll-Stiftung SH, Dankwartsgrube 72-74, luebeck@boell-sh.de
Veranstalter: Literaturhaus SH in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung SH  
Kooperationspartner: Willy-Brandt-Haus Lübeck, Haus der Kulturen Lübeck, Deutsch-Griechische Gesellschaft.

Der vom Literaturhaus SH veranstaltete Literatursommer „Norwegen“ wird vom Landeskulturverband SH und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur SH, NORLA (Norwegian Literature Abroad), dem Landesbeauftragter für politische Bildung, der Kurt-Werner & Annelise Mellingen-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung SH unterstützt.

Jostein Gaarder © Peter-Andreas Hassiepen

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