Schüleraustausch abgebrochen wegen Corona-Pandemie: Diese Ansprüche haben Betroffene

Viele Austauschschüler*innen müssen oder wollen ihren Auslandsaufenthalt wegen der Corona-Pandemie abbrechen. Dabei geht es um viel Geld, denn ein Auslandsjahr kann zehntausende Euro kosten. Betroffene haben Anspruch auf Rückzahlungen.

Ein Jahr Schüleraustausch in Neuseeland – dieser Traum vieler Jugendlicher sollte für einen 16-Jährigen aus Kiel im letzten Sommer wahr werden. Sein Vater hatte bei einer Organisation für interkulturellen Austausch ein Programm für ein Jahr an einer Schule auf Neuseeland gebucht. Flugtickets, Unterbringung in einer Gastfamilie inklusive Verpflegung und diverse weitere Dienstleistungen gehörten zum rund 23.000 Euro teuren Leistungspaket. Im Juli 2019 reiste der Schüler ab, der Rückflug war für Juli 2020 geplant.

Austausch abgebrochen
Wegen der Corona-Pandemie hat der Jugendliche seinen Aufenthalt auf eindringliche Empfehlung der Gastgeber-Organisation in Neuseeland abgebrochen und ist zurück nach Deutschland gereist. Denn am 26. März hatte die neuseeländische Regierung die höchste Stufe des Pandemie-Notfallplans ausgerufen. Wie in Deutschland sind dort nur noch Geschäfte für den täglichen Bedarf geöffnet und die Bürger müssen zuhause bleiben. Selbst Busse und Bahnen dürfen nur noch von Menschen in essentiellen Berufen genutzt werden. Wie dem Betroffenen aus Kiel ergeht es tausenden deutscher Austauschschüler weltweit. Unter diesen Voraussetzungen haben ihre Familien Anspruch auf eine teilweise Erstattung des Reisepreises:

    Buchung bei einem deutschen Reiseveranstalter oder einer deutschen Schüleraustausch-Organisation
    Aufenthalt von mindestens drei Monaten bei einer Gastfamilie
    regelmäßiger Schulbesuch einer Normalschule

Anspruch auf anteilige Erstattung der Kosten
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich rechtlich gesehen um eine Pauschalreise und es besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung. Wie hoch dieser ausfällt, hängt vom Einzelfall ab. In diesen Fällen dürfte aber eine pauschale Berechnung möglich sein: „Wenn der Aufenthalt wegen außergewöhnlicher Umstände abgebrochen werden muss, haben die Betroffenen unserer Ansicht nach ein Recht auf anteilige Erstattung des Gesamtpreises für das Leistungspaket“[1], erläutert Julia Buchweitz, Juristin mit Schwerpunkt Reiserecht bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Sie bezieht sich dabei auf Paragraf 651 u BGB in Verbindung mit den Paragrafen 651 I, 651 i und 651 m BGB. Falls für den Abbruch der Reise zusätzlich notwendige Kosten entstehen, können die Betroffenen eine Erstattung beim Veranstalter fordern. Für den Transfer zum Flughafen oder für die Rückholaktion der deutschen Bundesregierung nach Hause können keine zusätzlichen Kosten anfallen. Denn mögliche Mehrkosten für die Rückbeförderung hat der Reiseveranstalter zu tragen. Wichtig dafür ist die vorherige Anmeldung zum COVID-19 Rückholprogramm des deutschen Auswärtigen Amtes. Zurückreisende Jugendliche müssen außerdem eine ausgefüllte Konsularerklärung bei sich haben und vorlegen können.

Anti-Corona-Maßnahmen im Gastland als Kündigungsgrund
Selbst wenn die Schüleraustausch-Organisation den Aufenthalt nicht abbricht, ist sie zu einer anteiligen Erstattung der Gesamtkosten verpflichtet. Ab dem Zeitpunkt, wo der Aufenthalt im Gastland erheblich beeinträchtigt ist, haben betroffene Austauschschüler oder dessen gesetzliche Vertreter das Recht zur Kündigung des Vertrages. Entscheidende Beeinträchtigungen sind dabei zum Beispiel Schulschließungen, Beschränkungen des öffentlichen Lebens, Kontaktsperren oder Einreiseverbote. Auch ein Drängen der Organisation, schnellstmöglich das Land zu verlassen, könnte man als richtigen Zeitpunkt für die Kündigung betrachten.

Rechenbeispiel für den Anspruch auf Erstattung
Bereits erbrachte Sonderleistungen der Organisation, wie etwa die Kosten für eine Einführungswoche, sind vor der Berechnung der pauschalen Erstattungssumme abzuziehen.

Beispiel:

·         Aufenthalt exakt 365 Tage
·         20.500 € Leistungspaket (Flug, Schulgeld, Unterhaltszahlungen, Versicherungen und Organisation, etc.)
·         500 € für Einführungswoche
·         Abbruch exakt 3 Monate vor Ende
·         Rückerstattungsanspruch:

20.500 € - 500 € = 20.000 €

20.000 € / 365 Tage x 91 Tage = 4.986,30 €

Ein Gutschein muss nicht akzeptiert werden, weil dazu keine gesetzliche Verpflichtung besteht und ein Nachholen des Austauschjahres wahrscheinlich auszuschließen ist.

Versicherungen: teilweise Erstattung von Prämien
Eine Reiserücktrittsversicherung oder Reiseabbruchversicherung wird in der aktuellen Situation in den meisten Fällen nicht greifen. Sie nützt grundsätzlich nicht bei unvermeidbaren außergewöhnlichen Umständen wie zum Beispiel staatlich angeordneter Quarantäne, höherer Gewalt, Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes oder Einschränkungen durch Sicherheitsmaßnahmen am Urlaubsort. Eine Haftung im Fall von Epidemien oder Pandemien ist in den Versicherungsbedingungen meist ausdrücklich ausgeschlossen. Die Versicherung würde zum Beispiel dann aufkommen, wenn der Versicherte aufgrund einer Krankheit oder anderer im Vertrag vereinbarter Fälle nicht reisen kann. Dasselbe gilt für Reiseabbruchversicherungen.

Für einen Aufenthalt des Kindes im Ausland schließen Eltern häufig zusätzliche Unfall-, Kranken- und Haftpflichtversicherungen ab. Hier gibt es einen Anspruch auf Kostenerstattung: Laut Gesetz darf der Versicherer nicht die volle Prämie verlangen, wenn der Auslandsaufenthalt abgebrochen werden musste, denn so fällt das versicherte Interesse vorzeitig weg. Damit steht den Betroffenen eine teilweise Erstattung der Versicherungsprämie zu. Die Bedingungen dafür sind entweder im Versicherungsvertrag oder im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Die Verbraucherzentrale rät Betroffenen, dem Versicherer so schnell wie möglich den Abbruch des Auslandsaufenthaltes mitzuteilen und die Erstattung von Prämienanteilen mit einer nachvollziehbaren Rechnungslegung zu verlangen.
 
Unter der Servicenummer 0431 / 590 99 40, per Kontaktformular oder Email an info@vzsh.de bietet die Verbraucherzentrale Betroffenen Rat und Unterstützung. Unter www.verbraucherzentrale.sh stehen täglich aktualisierte Informationen zu den Folgen der Corona-Pandemie für Verbraucher*innen (z.B. zu Stornierungen von Reisen oder kostenpflichtigen Veranstaltungen).

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