Wald-armes Schleswig-Holstein begeht den Tag des Waldes

© Reinhard Degener

Am 21.3.2023 war der Tag des Waldes. Der BUND Schleswig-Holstein hat diesen Tag zum Anlass genommen, um Werbung für eine der größten Wärme-, Klima- und Stress-Senken zu machen.

Vögel zwitschern, leise rauscht der Wind in den Blättern, der Schritt federt auf dem Waldboden. Der regenerierende und gesundheitsfördernde Effekt vom Aufenthalt im Wald, bis hin zum sogenannten Wald-Baden, ist bereits seit Langem bekannt. Den Blick ins Grüne, die Stille und saubere Luft empfinden vielen Menschen nicht erst seit Corona und der Häufung von Burn-Out-Fällen als wahren Segen. Zeit, dass wir den Wäldern etwas zurückgeben.

Von Natur aus wäre der Echte Norden zu rund 90 Prozent mit Bäumen bedeckt. Fakt ist jedoch: Schleswig-Holstein ist mit nur noch 11 Prozent Wald das Schlusslicht in Deutschland. Dabei können Wälder mehr als nur unzähligen Tier- und Pflanzenarten eine Heimat zu geben: Sie schaffen durch Beschattung, aktive Wassertranspiration und Windschutz ein eigenes, ziemlich konstantes Waldinnenklima, schützen vor Wetterextremen und kühlen sogar umliegende Siedlungen. Die Funktion Kohlenstoff-Senke ist als sogenannte „naturbasierte Lösung“ selbst für die Bundesregierung ein unverzichtbarer Baustein im Klimaschutz. In Zeiten von immer heißeren Sommern und Starkwetterereignissen ist der positive Effekt eines gesunden Waldes also nicht von der Hand zu weisen.

Doch es gibt riesige Unterschiede zwischen einem forstwirtschaftlich ausgebeuteten und einem naturnahen Wald. Ein Musterbeispiel der Forstökologie ist der Stadtwald Lübeck. Schon seit 1997 ist er Naturland-zertifiziert – die derzeit ökologisch anspruchsvollste Zertifizierung. Sie orientiert sich an der natürlichen Dynamik des Waldes und behandelt ihn seit mehr als 30 Jahren vorsichtig und mit Bedacht. Die positiven Wirkungen sind deutlich und überzeugend. Die naturnahe Waldbewirtschaftung braucht seltenere Pflegeeingriffe, die gezielte Entnahme einzelner Stämme (Qualität statt Quantität) schont den Boden und macht den Wald insgesamt widerstandsfähiger gegen Sturm, Trockenheit oder Schädlingsbefall.

Die schleswig-holsteinischen Landesforsten hingegen sind nach dem weniger anspruchsvollen FSC-Standard zertifiziert. Die Grundlage, auf der die Wälder „gepflegt und wirtschaftlich genutzt werden“, ist die veraltete Betriebsanweisung Waldbau. Sie gestattet vorzugsweise im Winter viele Holzeinschläge: Dadurch öffnet sich das Kronendach und der Abstand der verbliebenen Großbäume ist zu groß, um den Wald ausreichend feucht und durch Schatten und Verdunstung kühl halten zu können. Die Temperaturen steigen im Sommer dramatisch an. Der Wald wird anfällig für Schädlingsbefall und Sturmschäden. Die stressgeplagten Bäume brechen beim nächsten Sturm um oder müssen aus Sicherheitsgründen gefällt werden, was zu noch mehr Trockenheit im verbleibenden Baumbestand führt. Ein Teufelskreis. Zudem verdichten die tonnenschweren Erntemaschinen den Waldboden und zerstören so das Feinwurzelwerk und die Wasseraufnahmefähigkeit. So können auch Stadtwälder ihre Kühlungsfunktion für die Städte verlieren.

Wenig Wald führt so zu noch weniger Wald, denn gerade die kleinen Waldinseln sind im Land zwischen den Meeren heftigen Stürmen, Pestiziden und Stickstoff aus der Landwirtschaft ausgesetzt und heizen sich ebenso wie die umgebenden landwirtschaftlichen Flächen und Siedlungsgebiete im Sommer auf bis zu 50 Grad auf. Lutz Fähser, Waldexperte beim BUND SH , ist selbst viele Jahre Förster im Lübecker Stadtwald gewesen und wirbt europaweit als Fachmann für den Schutz der Wälder: „Laut Gesetz sind öffentliche Wald-Eigentümer*innen verpflichtet, die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten – und zu verbessern! In Zeiten des Klimanotstands bedeutet dies, dass die Landes- und Kommunalwälder naturnah und schonend bewirtschaftet werden müssen. Geringerer Holzeinschlag und in manchen Gebieten der gänzliche Verzicht auf Holzentnahme können die Forste wieder dichter, kühler und feuchter werden lassen. Bund und Land müssen hier ihre Vorbildfunktion wahrnehmen!“

„Auch der Stadtwald Kiel sollte sich von Naturland zertifizieren lassen,“ regt Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND SH an. „Etliche Landeshauptstädte wie Hannover, Berlin und München tun dies seit langem.“ Der BUND SH fordert, dass das in Teilen sogar naturschädliche Landeswaldgesetz endlich überarbeitet wird. Aktuell wird das Bundeswaldgesetz novelliert. Vielleicht bietet es eine gute Grundlage auch für Schleswig-Holsteins Waldgesetz – denn auch wenige, aber resiliente Wälder sind ein Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Das Wohl des Waldes ist auch unseres.

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