Teil 2 der Sonderausstellung „Gothmund. Fischerdorf und Künstlerort an der Trave“ / Themenschwerpunkt: „Ende einer Idylle? Industrialisierung an der Trave“

Ab Dienstag | 29. August bis Samstag | 30. Dezember 2023 | Museum Behnhaus Drägerhaus | Lübeck

Ernst Eitner, Gothmunder Fischer bei der Aalschnurarbeit im Fischerweg, 1890 © Privatbesitz

Zweiter Teil der Gothmund-Ausstellung im Museum Behnhaus Drägerhaus widmet sich der Industrialisierung an der Trave.

Seit 23. April 2023 ist im Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck die Ausstellung „Gothmund. Fischerdorf und Künstlerort an der Trave“ zu sehen. Sie widmet sich als erste Schau überhaupt dem Thema Gothmund als Kunstmotiv und kann gute Besuchszahlen verzeichnen.  War in der ersten Ausstellungsphase der Schwerpunkt auf Gothmund-Darstellungen der 1880er bis 1920er Jahren u.a. der Impressionisten Ernst Eitner und Gustav Wendling gelegt, wird dieser nun im zweiten Teil der Ausstellung ab Dienstag, 29. August, um das Thema „Ende einer Idylle? Industrialisierung an der Trave“ mit Werken der veränderten Darstellung Gothmunds im 20. Jahrhundert ergänzt. 13 Gemälde aus dem ersten Teil der Ausstellung werden abgehängt und unter anderem durch Werke Lübecker Künstler:innen ersetzt, die im 20. Jahrhundert unter dem Eindruck der Industrialisierung in Gothmund tätig waren. Mit dabei sind auch Gemälde des Künstlers Heiko Jäckstein, der aktuell in Gothmund forscht und die Ausstellung zusammen mit Marlis Zahn kuratiert hat.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden am nördlichen Traveufer von Dänischburg bis Herrenwyk weitläufige Industriegebiete, flankiert von einer neuen Eisenbahnstrecke. Nahe der Stadt wurde das Travewasser durch die Abwässer der neuangesiedelten Industrie immer mehr verunreinigt und führte so um 1930 zu einer regelrechten Notlage der Fischer, deren Fänge stetig nachließen. Mit dem sichtbaren Ende der Idylle Gothmunds ging auch die Abwanderung der Künstler:innen einher, die sich bis zu diesem Zeitpunkt noch von der malerischen Flusslandschaft des Fischerortes inspirieren ließen. So waren es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hauptsächlich nur noch Lübecker Kümnstler:innen, insbesondere aus der Malklasse Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburgs, die in Gothmund malten. Ursprünglich angelockt durch die Natur und die Abgeschiedenheit, wurde nun für einige Kunstschaffende auch der menschengemachte Wandel der Landschaft zum Motiv ihrer Arbeiten. Die Ölmühle in Siems gegenüber der Herreninsel wurde ebenso festgehalten wie das Hochofenwerk im Stadtteil Kücknitz-Herrenwyk. In dem Aquarell „Flenderwerft“ widmete sich 1981 mit Fritz Witt ein Gothmunder Künstler den Veränderungen seiner Heimat. Als Sohn eines Gothmunder Fischermeisters ließ er sich von den auswärtigen Künstler:innen in seinem Dorf begeistern und wurde selbst Lehrer und Maler. Immer wieder kehrte er zurück und dokumentierte seine zahlreichen Heimatbesuche in Zeichnungen, Radierungen und Aquarellen.

Auch wenn es auf den ersten Blick manchmal so scheint, ist die Zeit in und um Gothmund nicht stehen geblieben. In den Fischerkaten wohnen nun nicht mehr hauptsächlich Berufsfischer. Die Ställe, in denen früher mal ein Schwein, eine Ziege oder Hühner untergebracht waren, dienen heute, wenn noch vorhanden, als kleine Werkstätten. Die Fischerkate Nr. 19, die Christian Rohlfs 1899 mehrfach malte, befindet sich heute als begehbares Ausstellungsstück im Landesmuseum Molfsee. Auch der Blick aus dem Dorf über die Trave hat sich verändert und so schaut man heute auf der gegenüberliegenden Traveseite auf den Lehmannkai, wo eine viel diskutierte Erweiterung um mehrere Hallen geplant wird.

Dennoch sind einige Dinge auch heute noch unverändert: Die Teilung Gothmunds nach dem Brand 1893 in einen „neuen“ und einen „alten“ Teil ist heute noch sichtbar, ebenso wie die alten Gothmunder Reetdachkaten aus dem 18. Jahrhundert. Und auch die malerischen Motive sind nicht verschwunden, wie die Werke Heiko Jäcksteins beweisen: Seit 2013 spürt der Künstler ihnen nach und blickt aus der Gegenwart auf einen Ort, der schon vor 150 Jahren so viele Künstler:innen faszinierte. Über 250 Bilder sind von seiner Hand in den letzten zehn Jahren in Gothmund, Israelsdorf und der Traveregion entstanden. Sie zeigen bekannte Motive, wie den Hirtenteich in Israelsdorf – jetzt ohne tausendjährige Eiche –, den Blick über die Trave – jetzt mit Bagger im Hintergrund – und Bewohner:innen Gothmunds aus der Vergangenheit und Gegenwart auf eine ganz neue Art und Weise. Durch seine Werke wird deutlich: Gothmund bietet auch heute noch Inspiration für künstlerische Arbeiten und Austausch vor Ort.

Die Ausstellung ist bis Samstag, 30. Dezember 2023, in den Kabinetträumen des Drägerhauses zu sehen.
Weitere Informationen unter https://museum-behnhaus-draegerhaus.de/.

Foto: Sophus Hansen, An der Trave, um 1900 © Privatbesitz

« „Handel, Geld und Politik“Ausstellung Christian Peters – Malerei und Druckgrafik »