Favoriten-Barometer zu den TW-Titelentscheidungen

Mit einer Europameisterschaft und sieben nationalen Meisterschaften geht die Travemünder Woche in ihr 130. Jahr. Doch wer darf sich Hoffnungen auf Titel und Medaillen machen? Der Blick auf die einzelnen Klassen schwankt zwischen einem Fokus auf klare Favoriten und nur einer diffusen Ahnung, wer sich im Vorderfeld platzieren könnte.

IDM Seesegeln (20.-23. Juli)
Im bisherigen Saisonverlauf gab es in den beiden Startklassen dominante Crews, die sich als erste Anwärter auf die Meistertitel in Szene gesetzt haben. Bei den großen Yachten ist die „Sportsfreund“ von Axel Seehafer (Heiligenhafen) bei ihrem Comeback auf der Regattabahn sowohl bei der Maior-Regatta als auch zur Kieler Woche in einer eigenen Liga gesegelt. Mit dem dänischen Weltklasse-Segler Jesper Radich hat Seehafer einen herausragenden Taktiker an Bord, und die Segel-Experten Bertil Balser und Arnd Howar sorgen dafür, dass die Yacht schnell ist. Die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin) rückte der „Sportsfreund“ zur Kieler Woche am dichtesten ans Heck. Taktiker Robert Stanjek, Starbootweltmeister von 2014, hat die Crew in den vergangenen Jahren auf Leistung getrimmt. Und mit der „neuen“ Yacht, die in 2016 und 2018 unter norwegischer Flagge den WM-Titel ersegelte, hat die Mannschaft jetzt auch ein Spitzen-Boot zur Verfügung. Zu den Medaillen-Anwärtern zählen auch noch die „Sportsfreund“-Schwesterschiffe, die „Sydbank“ mit Skipper Torsten Bastiansen und die „Halbtrocken 4.0“ von Michael Berghorn (Kiel).
Bei den kleineren Yachten sind die beiden Schwesterschiffe, die „Immac Fram“ von Kai Mares (Dänischenhagen) und die „One Spirit“ mit Sören Brandt (Kiel) am Ruder, wohl kaum von der Spitze zu verdrängen. Mares segelt mit einem eingespielten Team und konnte damit schnell in die Saison hineinfinden. Die „One Spirit“ überraschte mit Topergebnissen, obwohl aus dem vergangenen Jahr nur Sören Brandt aus der Mannschaft übriggeblieben ist. Brandt rückte von der Trimmer- auf die Steuermannposition und schaffte schnell den Sprung zurück in die deutsche Spitze. Ebenfalls gut auf Kurs ist die „Halbtrocken“ von Knut Freudenberg (Flensburg), die schon zweimal den deutschen Titel einfahren konnte.

IDM Offshore Double Handed (25.-28. Juli)
Im Gegensatz zum etablierten Seesegeln ist die Meisterschaft für die Zwei-Personen-Crews auf der Seebahn noch ein unerforschtes Feld. Erstmals in der Geschichte des deutschen Seesegelns ist diese Meisterschaftsdisziplin ausgeschrieben. Es ist ein Vorgriff auf die künftige olympische Disziplin. 2024 vor Marseille werden gemixte Zwei-Personen-Crews (Mann und Frau) um Gold, Silber und Bronze segeln. Zur Meisterschaftspremiere vor Travemünde ist die Geschlechterbesetzung an Bord dagegen völlig offen. Sechs Mixed- und sechs reine Männer-Crews haben gemeldet. Erneut am Start: die „Immac Fram“ (dann mit Florian Schlünder und Karla Dörffler) und die „Halbtrocken“ (Knut Freudenberg/Nils Reichert). Mit Spannung wird der Auftritt von Lina Rixgens (Berlin) und Sverre Reinke (Bremen) erwartet. Rixgens ist die bisher einzige deutsche Frau, die das Mini-Transat (ein Solo-Atlantikrennen) erfolgreich absolviert hat. Sie will in Travemünde ihren nagelneuen Mini auf die Bahn bringen. Ebenfalls am Start ist Rasmus Töpsch (Strande) mit Lisa Berger (Kammer). Töpsch segelt eine L30, jenen Bootstyp, der zur WM-Premiere 2020 im Mixed Offshore Segeln als Einheitsklasse eingesetzt werden soll. Für lokale Kompetenz auf der Bahn sorgen Andreas und Birthe Grasteit vom Lübecker YC auf der „Grace“.

IDM 505er (20.-23. Juli)
Die „Fiven“ kämpfen in Deutschland seit einigen Jahren mit rückläufigen Meldezahlen und ihrem Status als Meisterschaftsklasse im DSV. Die Qualität ist aber ungebrochen hoch. Deutschland gehört zur Weltspitze. Und zur Travemünder Woche stellt sich die Frage, ob den Düsseldorfern Jan-Philipp Hofmann und Felix Brockerhoff der Hattrick gelingt. In den vergangenen beiden Jahren gewannen sie den nationalen Titel und sind in Abwesenheit von Rekordweltmeister Wolfgang Hunger auch nun wieder die ersten Anwärter auf Gold. Aber auch die TW-Wettfahrtleitung greift in den Titelkampf mit ein: Wolfgang Stückl, der in der zweiten Hälfte die J/70 als Regattachef betreuen wird, segelt zur IDM der 505er selbst mit – an der Vorschot seiner Tochter Lena.

 

IDM J/70 (24.-27. Juli)
Die sieben Meter langen Kielboote sind die Trend-Klasse in Deutschland und haben gerade den 505ern einige Segler abgeworben. So geht Claas Lehmann (Hamburg), der 2013 mit dem Lübecker Leon Oehme 505er-Weltmeister geworden ist, nun bei den J/70 an den Start. Es gibt aber auch die Doppelstarter in beiden Klassen. Die Wuppertaler Roos-Familie ist gleich mehrfach am Start. Ronald und Kirsten Roos sowie Maike und Maren Roos sind bei beiden Meisterschaften dabei und werden für familieninterne Duelle sorgen. Die Favoritenrolle fällt wohl den Bremern um Björn Beilcken zu, die zur Kieler Woche schon einen starken Saisoneinstieg hingelegt haben. Aber auch starke Liga-Crews – vor allem aus der Zweiten Liga, die zur Travemünder Woche nicht segelt – werden am Start sein. Da die Meister der Vorjahre derzeit nicht auf der Meldeliste stehen, wird es neue Deutschen Meister geben.

IDJM Laser Radial (22.-27. Juli)
Julian Hoffmann aus dem Allgäu hat bereits ein Abonnement auf IDJM-Siege zur Travemünder Woche. Er siegte in den vergangenen Jahren im Laser 4.7 und Laser Radial und ist auch jetzt wieder der erste Anwärter auf das Jugendmeisterschaftsgold. Allerdings wird er sich zum Start in die Regatta erst noch akklimatisieren müssen, denn er reist direkt aus Polen von den Youth Worlds an. Dass er solche Doppelbelastungen wegstecken kann, hat der 16-jährige Bayer bereits im vergangenen Jahr bewiesen, als er von der WM in den USA in Travemünde anreiste und nach verhaltenem Beginn in die IDJM doch noch den Titel ergatterte. Konkurrenten um den Sieg vor Travemünde sind Lokalmatador Jesper Bahr (Lübecker SV), Laura Schewe (Kiel) und Roko Mohr (Plau).

IDJM Laser 4.7 (22.-27. Juli)
Bei der Jugendmeisterschaft der Laser-Einstiegsklasse wird zur Titelvergabe wohl kein Weg an Ole Schweckendiek vorbeigehen. Dem 14-jährigen Kieler ist das seltene Kunststück gelungen, bereits die Kieler und die Warnemünder Woche zu gewinnen. Jetzte könnte er das Segelwochen-Triple perfekt machen. Für den Schüler könnte es bereits der krönende Abschluss seiner kurzen 4.7-Karriere sein. Erst im vergangenen Jahr ist er aus dem Opti in den Laser 4.7 umgestiegen, und nach dem Sommer will er in den Laser Radial wechseln.

IDJüM Teeny (25.-28. Juli)
Der Teeny ist neben dem Opti das einizige offizielle Jüngstenboot im DSV. Startberechtigt sind damit nur Sportler bis einschließlich 15 Jahre. Entsprechend wechselt das Starterfeld immer kräftig durch. Und so ist aus dem Feld der Medaillengewinner des vergangenen Jahres nur noch eine halbe Crew am Start. Der Plöner Oke Nommensen segelte 2018 mit seinem Bruder Nik auf Rang drei. Jetzt geht Oke mit neuer Partnerin ins Rennen und wechselte von der Vorschot an die Pinne. Rabea Petersen übernimmt den Part im Vorschiff.

EM O'pen Skiff (24.-28. Juli)
Knapp 90 Jugendliche aus sieben Nationen haben für die Europameisterschaft in der jungen Klasse gemeldet. Sogar aus Neuseeland kommt ein Sportler an die Ostsee. Die zahlenmäßig stärkste Nation stellen die Italiener mit 26 Startern. Aus deutscher Sicht werden die Gastgeber vom Lübecker Yacht-Club weit vorn erwartet. Magnus Voss und Niclas Burdon segelten im vergangenen Jahr zum Doppelsieg bei der Deutschen Meisterschaft. Und sie führen auch die aktuelle Rangliste an – vor Frederic Schüle, ebenfalls vom Lübecker YC.

Foto: Gleich zwei Meisterschaften werden zur TW auf der Seebahn ausgetragen. © ssegel-bilder.de

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